Situationsbeschreibung
Die Finetool-Gruppe ist ein international tätiges Technologieunternehmen, das im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz in Höhe von insgesamt 550 Mio. Euro erzielt hat.
Den mit Abstand größten Umsatzanteil steuert mit 380 Mio. Euro der Geschäftsbereich PARTS bei, in dem weltweit präzise Feinschneid-, Umform- und Stanzkomponenten kundenindividuell in Serie produziert und vertrieben werden. Abnehmer dieser Komponenten kommen aus unterschiedlichen Bereichen der Industrie, z.B. Automobilindustrie, Maschinenbau, Energieerzeugung, Medizintechnik, Haushaltsgeräte- und Werkzeughersteller. Der Umsatz dieses Geschäftsbereiches stagniert aufgrund der schwachen
Konjunktur im bedeutsamen Kundensegment Automobilindustrie. Umsatzwachstum wird vor allem im erst vor fünf Jahren neu aufgebauten Bereich Medizintechnik erwartet, der in Bezug auf die überdurchschnittlich hohen Serviceerwartungen der Kunden eine Sonderrolle einnimmt.
Der zweite Geschäftsbereich SOLUTIONS bietet mit den beiden Hauptumsatzträgern Feinschneidpressen und Werkzeuge Gesamtlösungen für das Feinschneiden an.
SOLUTIONS liegt mit 170 Mio. Euro Umsatz deutlich hinter PARTS, wächst aber zweistellig. Es gibt Überlegungen, die beiden Profit-Center Vertrieb SOLUTIONS und Service SOLUTIONS unter einer Leitung zusammenzuführen. Finetool ist derzeit in 30 geografischen Märkten tätig. Eigene Vertriebsgesellschaften gibt es in Deutschland, Frankreich, Italien, Indien und Belgien. Alle anderen Märkte
werden durch lokal angesiedelte Auslandsvertretungen bearbeitet. Die Zuordnung der Kunden zu den Außendienstmitarbeitern in den eigenen Vertriebsgesellschaften wurde nach rein geografischen Gesichtspunkten vorgenommen. Die Vertriebsstruktur von Finetool kann als „historisch gewachsen“ bezeichnet werden.
Angesichts der ungewissen Zukunft im Geschäftsbereich PARTS und der offenen Fragen in beiden Geschäftsbereichen hat die Geschäftsführung entschieden, Sie als externe Beratungskompetenz hinzuziehen, um mit Ihnen über die vorhandene Struktur und eine
vertriebliche Neuausrichtung zu sprechen.
1 Nutzenerwartungen der Kunden
Angesichts des sich abzeichnenden nachhaltigen Umsatzrückganges im PARTS-Kundensegment Automobilindustrie hat die Geschäftsführung Ideen entwickelt, um als langjähriger Zulieferpartner der Fahrzeughersteller dem Abwärtstrend nicht einfach nur „tatenlos zusehen“ zu müssen. So soll zum Beispiel die Nutzenerwartung der Kunden in Bezug auf bestehende und mögliche zukünftige von Finetool gelieferte Produkte und Serviceleistungen analysiert und aktualisiert werden. Die Vertriebsleitung hat das Vorhaben mit der Aussage kommentiert: „Wir sind doch sowieso permanent am Kunden dran und mit
dem Kunden im Gespräch.“
Aufgabe 1.1:
Erläutern Sie je drei Faktoren, die bei Produkten und Dienstleistungen kundenseitig
als nutzenrelevant betrachtet werden können.
Aufgabe 1.2:
Nehmen Sie ausführlich Stellung zum Vorhaben der Geschäftsführung und zur Aussage der Vertriebsleitung hinsichtlich der beiden Aspekte
a) Sinnhaftigkeit des Vorhabens und
b) Einwand der Geschäftsleitung berechtigt oder nicht
Nach längeren unternehmensinternen Diskussionen wird entschieden, eine Kundenbefragung durch ein externes Marktforschungsunternehmen durchführen zu lassen.
Aufgabe 1.3:
Entscheiden Sie mit kurzer Begründung, ob es sich dabei um ein Primär- oder ein Sekundärmarktforschungsvorhaben handelt.
Aufgabe 1.4:
Sie werden als Verantwortlicher dieses Vorhabens und Ansprechpartner für das Marktforschungsunternehmen gebeten, die Phasen eines solchen Informationsgewinnungsprozesses in fünf Schritten zu beschreiben.
Aufgabe 1.5:
Bei den Überlegungen zum Auswahlverfahren für die zu befragenden Kunden zeichnet sich sehr schnell ab, dass eine Vollerhebung aufgrund der Vielzahl der Kunden nicht infrage kommt. Entwickeln Sie begründet eine geeignete Vorgehensweise zur Auswahl der zu befragenden Kunden.
2 Gliederung und Aufbau der eigenen Vertriebsgesellschaft
Die eigenen Vertriebsgesellschaften sind bisher rein geografisch gegliedert. Mit den üblichen Vor- und Nachteilen. Es gibt immer wieder Überlegungen, in einzelnen Vertriebsgesellschaften für Testphasen auf andere Gliederungsformen umzustellen.
Aufgabe 2.1:
Erläutern Sie zwei weitere Gliederungsmöglichkeiten von Vertriebsorganisationen.
Aufgabe 2.2:
Wählen Sie aus 2.1 eine für Finetool geeignete Gliederungsmöglichkeit aus und begründen Sie Ihre Auswahl ausführlich.
Neben den in den Studienheften beschriebenen Gliederungsmöglichkeiten gibt es die
funktionale Gliederung, bei der der gesamte Vertriebsprozess in einzelne Schritte aufgeteilt wird. Im Gegensatz zu den anderen Gliederungsvarianten gibt es dabei zum Beispiel
Spezialisten für die Neukundengewinnung, die neu gewonnene Kunden nicht weiter selbst betreuen, sondern an Kundenbetreuer übergeben. Ein weiterer Prozessschritt mit
eigenen Spezialisten ist der Service in der After-Sales-Phase.
Aufgabe 2.3:
Erläutern Sie jeweils zwei Vor- und Nachteile der funktionalen Gliederung in Bezug
auf die Neukundengewinnung und die Kundenbetreuung.
Zur Sprache kommen auch die bereits erwähnten Überlegungen, die beiden ProfitCenter Vertrieb SOLUTIONS und Service SOLUTIONS unter einer Leitung zusammenzuführen, um Synergieeffekte zu nutzen.
Aufgabe 2.4:
Erläutern Sie zwei Synergieeffekte, die zu erwarten sind und beschreiben Sie zwei Voraussetzungen, die zu erfüllen sind, damit diese Synergieeffekte eintreten können.
Ein Key Account Manager betreut die wichtigsten Kunden eines Unternehmens – die sogenannten „Schlüsselkunden“. Schlüsselkunden oder Key Accounts sind für Unternehmen so wichtig, da diese Hauptkunden meist einen hohen Umsatzanteil haben. Es gibt bisher bei Finetool kein Key-Account-Management. Die Geschäftsführung denkt schon
länger über eine Einführung in ausgewählten Märkten im Kundensegment Medizintechnik des Geschäftsbereiches PARTS nach.
Aufgabe 2.5:
Erläutern Sie jeweils zwei Vor- und Nachteile der nachträglichen Einführung des Key-Account-Managements und entscheiden Sie sich für oder gegen eine Einführung bei PARTS Medizintechnik. Begründen Sie Ihre Entscheidung.
3 Absatzwegestrategie zur Erschließung neuer
geografischer Märkte
Die Geschäftsleitung stellt Ihnen zunächst die grundsätzliche Frage, ob es sinnvoller ist, bei der Erschließung neuer Märkte von Beginn an vor Ort einen eigenen Vertrieb mit eigenen Außendienstmitarbeitern aufzubauen oder sich im zu erschließenden Markt in der Branche bereits tätige Handelsvertretungen zu suchen, die die Finetool-Produkte
in ihr Sortiment aufnehmen.
Aufgabe 3.1:
Geben Sie eine Empfehlung bezüglich der vorstehend beschriebenen Grundsatzentscheidung begründen Sie Ihre Entscheidung ausführlich anhand von drei Argumenten.
Betrachten Sie nun die zu treffende Entscheidung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit. Beim Einsatz von zwei eigenen Vertriebsmitarbeitern würden sich für Finetool im neu zu erschließenden Markt für den 1. Mitarbeiter bei einem geplanten Jahresumsatz in Höhe von 800 000 Euro und den 2. Mitarbeiter bei einem geplanten Jahresumsatz in Höhe von 650 000 Euro folgende Kosten für das erste Jahr
ergeben, die für beide Mitarbeiter gelten:
Monatliches Fixum: 1 500 Euro
Umsatzprovision: 3 Prozent
Aufgabe 3.2:
Ermitteln Sie die Gesamtkosten im ersten Vertriebsjahr für beide Vertriebsmitarbeiter in Euro.
Aufgabe 3.3:
Handelsvertreter erhalten auf Umsätze eine marktübliche Provision in Höhe von 9,0 Prozent ohne Fixum. Ermitteln Sie die Umsatzhöhe, ab der die eigenen Vertriebsmitarbeiter in Bezug auf die Gesamtkosten unter den Kosten der Handelsvertretung
liegen.
In einigen der von Handelsvertretungen betreuten Märkte sind die Marktanteile beider Geschäftsbereiche weit unterdurchschnittlich. Gleichzeitig beklagen sich die dort
tätigen Vertretungen über mangelnde Unterstützung aus der Zentrale. Sie schlagen vor, nach dem Prinzip „erst fördern, dann fordern“, zunächst verkaufsfördernde Maßnahmen
anzubieten und zu beobachten, ob diese Maßnahmen zu einer höheren Marktdurchdringung beitragen.
Aufgabe 3.4:
Beschreiben Sie drei verkaufsfördernde Maßnahmen, die Finetool seinen Auslandsvertretungen anbieten sollte.
4 Produktpolitik
Ausgangspunkt von Produktinnovationen ist die Ideenfindung. Um sicherzugehen, dass im Geschäftsbereich PARTS das Ideenfindungspotenzial hinreichend ausgeschöpft wird,
soll zunächst die Nutzung von Ideenquellen beleuchtet werden.
Aufgabe 4.1:
Nennen Sie jeweils zwei Beispiele für unternehmensinterne und -externe Ideenquellen, deren Nutzung überprüft werden soll, und begründen Sie Ihre Auswahl.
Aufgabe 4.2:
Vergleichen Sie eine in 4.1 genannte unternehmensinterne Ideenquelle mit einer genannten externen Ideenquelle in Bezug auf den möglichen Innovationsvorsprung, den Finetool durch die jeweilige Nutzung erzielen kann.
Ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zum Markterfolg durch neue innovative Produkte ist das Vermeiden von Produktflops, auch wenn das Museum of Failure in Schweden, das Produktflops und deren Entstehungsgeschichte präsentiert, als Slogan hat: „Innovation needs failure!
Aufgabe 4.3:
Recherchieren Sie auf der Internetseite des Museum of Failure (museumoffailure.com) Fallbeispiele für Produktflops. Stellen Sie anhand von zwei Beispielen Ursachen für Produktflops heraus, die auch für den Geschäftsbereich PARTS von Finetool bedeutsam sein könnten.
Aufgabe 4.4:
Lösen Sie mit zwei Argumenten den Widerspruch auf zwischen der angestrebten Vermeidung von Produktflops und dem Slogan des Museum of Failure und positionieren Sie sich mit Ihrer eigenen Meinung.
Aufgabe 4.5:
Ordnen Sie die beiden Testverfahren Produkttests und Markttests im Produktentwicklungsprozess ein und konkretisieren Sie die Anwendung beider Testverfahren
für Finetool PARTS.
Um das Maß des Erfolges eines Produktes nach der Markteinführung anschaulich zu machen, wird der Umsatzverlauf häufig als Produktlebenszykluskurve dargestellt.
Aufgabe 4.6:
Erläutern Sie jeweils eine geeignete produktpolitische Maßnahme, um a) die Wachstumsphase eines Produktes zu verlängern und b) zu verhindern, dass das Produkt
von der Reifephase in die Rückgangsphase übergeht
Aufgabe 4.7:
Konkretisieren Sie die beiden in 4.6 erläuterten Maßnahmen für Finetool PARTS anhand von zwei selbst gewählten Produktbeispielen.
5 Preispolitik
Bisher werden die Instrumente Preisdifferenzierung / Rabatte / Boni eher unkoordiniert eingesetzt. Die Geschäftsführung will auch hier mehr Struktur sehen und fragt Sie, welche unterschiedlichen Zielsetzungen mit den einzelnen Instrumenten verfolgt werden.
Aufgabe 5.1:
Erläutern Sie zu jedem der drei Instrumente je eine spezifische Zielsetzung.
Aufgabe 5.2:
Nennen Sie zwei für Finetool geeignete Arten der Preisdifferenzierung und begründen Sie Ihre Auswahl.
Im Geschäftsbereich PARTS werden Überlegungen angestellt, bei Stanzteilen für Neukunden im Haushaltsgerätebereich Skimming oder Penetration als Preisstrategie anzuwenden.
Aufgabe 5.3:
Bewerten Sie mit ausführlicher Begründung die Eignung beider Preisstrategien für diesen Anwendungsfall.
6 Geschäftsprozessmanagement
Aufgabe 6.1:
Erläutern Sie die Bedeutung von Kern- und Unterstützungsprozessen anhand von je einem Prozessbeispiel für Finetool PARTS.
Aufgabe 6.2:
Entscheiden Sie begründet und ausführlich, ob der Servicebereich von SOLUTIONS Kern- oder Unterstützungsprozess ist.
Bei den Überlegungen, die beiden Profit-Center Vertrieb SOLUTIONS und Service SOLUTIONS zusammenzuführen, soll berücksichtigt werden, wie stark diese Veränderung in die Organisation eingreifen würde und wie tiefgreifend die damit verbundenen Veränderungen auch für andere organisatorische Bereiche ausfallen würden.
Aufgabe 6.3:
Entscheiden und begründen Sie ausführlich, ob die Zusammenführung von Vertrieb SOLUTIONS und Service SOLUTIONS die Aufbau- oder die Ablauforganisation des
Unternehmens oder beide betreffen würde.
7 Nachhaltigkeit
Aufgabe 7.1:
Ökologische und ökonomische Ziele werden häufig als Zielkonflikt dargestellt. Führen Sie drei konkrete Beispiele an, die diese Darstellung widerlegen.
Aufgabe 7.2:
Soziale Ziele werden von Unternehmen oft nur auf die eigenen Mitarbeiter bezogen. Nehmen Sie ausführlich Stellung dazu mit zwei Argumenten, ob diese Vorgehensweise oder eine Ausweitung auf andere Wertschöpfungsstufen sinnvoll ist.
Aufgabe 7.3:
Nachhaltigkeit wird gerade insbesondere von Unternehmen der Versicherungswirtschaft in den Mittelpunkt der Strategie gestellt. Erläutern Sie zwei Gründe für diese Entwicklung.
Die Geschäftsleitung will die Nachhaltigkeit im Unternehmen weiterentwickeln und hat eine IHK-Trendstudie aus dem Februar 2021 gelesen, in der ca. 220 befragte Unternehmen Handlungsbedarf in Sachen Nachhaltigkeit definieren. Nachfolgend die wichtigsten Ergebnisse.
Aufgabe 7.4:
Entwickeln Sie für Finetool konkrete Maßnahmenvorschläge zu den ersten vier Handlungsfeldern.